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Bosiljka Schedlich ist Geschäftsführerin des Vereins Südost Europa Kultur e.V. Geboren wurde die 59-Jährige in Split. Nach Berlin kam die Kroatin 1968. Nach einem Germanistikstudium arbeitete Schedlich als Dolmetscherin, den Kultur-Verein gründete sie 1991. Schedlich ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Sie lebt in Schöneberg, hat zwei Kinder und ist geschieden.

 

In Berlin gibt es zu viele ... Kinder ohne emotionalen Halt

Bosiljka Schedlich ist Geschäftsführerin des Vereins Südost Europa Kultur e.V.

 

1. Mein erstes deutsches Wort war ... Halt! Aus den Filmen über den Zweiten Weltkrieg.

2. Heimat ist für mich ... wo ich gerade bin.

3. Typisch deutsch ist ... zu sein wie die anderen Menschen.

4. Ein Vorurteil, dem ich persönlich ständig begegne, ist ... die Deutschen hätten keine Gefühle. Das stimmt nicht, alle Menschen haben Gefühle, sie zeigen sie nur unterschiedlich.

5. Für meine Miete in Berlin könnte ich dort, wo meine Familie lebt ... bei meinen Kindern in Frohnau eine halb so große Wohnung mieten, in Split bei meinen Geschwistern eine gleichgroße Wohnung mieten und im Bergdorf aus meiner Kindheit drei Monate leben, da es dort keine Miete gibt. Aber auch kein fließendes Wasser, keine Philharmonie.

6.Was mir in Berlin fehlt, ist ... die Gelassenheit und das Lächeln. Aber das fehlt mir in den meisten Teilen Europas.

7. Dafür gibt es in Berlin ein bisschen zu viele ... einsame Menschen, Eltern ohne Visionen und Kinder ohne emotionalen Halt. Auch das ist anderswo genau so.

8.Wenn ich im Ausland Berlin erklären muss, sage ich ... dass die wenigen Berliner Hügel aus dem Schutt des Krieges bestehen, dass in Berlin jetzt Menschen aus fast 200 Nationen leben, dass in Berlin über 600 000 Bäume wachsen und es mehr Brücken als in Venedig gibt.

9. Als Königin von Deutschland würde ich ... fern von anderen Menschen sein. Auf der gleichen Höhe sieht man besser.

10. Bei Multikulti denke ich an ... Berlin, an das Radioprogramm von RBB, an die vielen Sprachen, die in Berlin gesprochen werden und an die Trauer, manchmal auch Wut junger Menschen, die hier geboren sind, aber als Fremde behandelt werden.

11. Ich glaube ... dass wir unser Leiden überwinden können, wenn wir die eigene Vergänglichkeit annehmen und bereit sind zu lernen, wer und wie wir sind, wenn wir kreativ sein können.

12. Ich koche am liebsten ... für gemeinsames Speisen vieler Menschen. Ich esse am liebsten Salat mit Olivenöl und Zitrone, harten Käse und altes Brot.

13.Bei einem Mann achte ich zuerst auf ... mein Gefühl.

14. Als 13-Jährige wäre ich gerne ... Lehrerin gewor den.

15. Mein größter Fehler ist ... unvollkommen zu sein. Wie andere Menschen auch.

16. Glücklich macht mich ... vieles: Licht, Farben, Formen, Musik, das Leben in jeglicher Form, meine Kinder, meine Enkelkinder. Dass Menschen lernen können, auch mit eigenen Aggressionen ohne Gewaltausbrüche umzugehen.

17. Mich ärgert im Moment ... dass in Berlin Kulturförderung dort eingestellt wird, wo sie am meisten gebraucht wird, bei den bildungsarmen Randschichten.

18. Dieses Kompliment verunsichert mich ... Komplimente verunsichern mich nicht. Sie sprechen über die, die sie aussprechen.

19. Diesen Menschen möchte ich gerne kennenlernen ... Die oder der großzügig für die Stiftung „Überbrücken“ stiftet, damit Menschen, auch Deutschen, geholfen werden kann, Kriegsfolgen zu überwinden.

20. Auf meinem Nachttisch liegen ... ein Notizheft, die Bücher „Seide, Schere“ von Irena Vrkljan, „Ich will verstehen“ von Hannah Arendt, Gedichte von Marina Zwetajeva.

Berliner Zeitung, 08.05.2008